Von Tieren und Menschen

Architekturkritik von Emil Seeber
Alter SchlachthofUlrich Coenen

Im Seminar „Städtebauliche Typologien - Werkstatt Architektur-Journalismus: Wir schreiben über Architektur“ beschäftigen sich Studentinnen und Studenten an der Professur Stadtquartiersplanung mit Architekturjournalismus. Dozent ist der Redakteur und Bauhistoriker Ulrich Coenen.

Die zwölf Seminarteilnehmerinnen und Seminarteilnehmer recherchieren unter Anleitung und verfassen Beiträge über Architektur, Stadtplanung und Denkmalpflege. Dabei werden die journalistischen Darstellungsformen Interview, Architekturkritik, Bericht, Reportage, Kommentar und Fachbuchbesprechung geübt.

Eine Aufgabe war eine Architekturkritik zum Schweinestall im Alten Schlachthof in Karlsruhe. Hier ist die Architekturkritik des Masterstudenten Emil Seeber.

 

Von Tieren und Menschen
Die bauliche Umnutzung des ehemaligen Schweinestalls in Karlsruhe durch zwo/elf Architekten

von Emil Seeber

Wenn man heute über das weitläufige Quartier an der Durlacher Allee schlendert und an den eleganten Sandsteinbauten mit den davor gepflanzten Rosenstöcken und den sorgsam eingestreuten Baumgruppen vorbei spaziert, fällt es schwer zu glauben, dass sich hier noch vor nicht allzu langer Zeit der städtische Schlacht- und Viehhof befand.

Der Alte Schlachthof von Karlsruhe hat sich gemacht. Dass es so kommen sollte, war allerdings keinesfalls klar. Geschichtlich befand sich der ursprüngliche Schlachthof früher im heutigen Innenstadtbereich. Von dort musste er Ende des 19. Jahrhunderts weichen, um den Lärm und die Geruchsbelästigung von den Karlsruhern fernzuhalten.

Seinen Platz fand er unweit des Gottesauer Schlosses, weit vor den Toren der damaligen Stadt. Die Bauten, ab 1885 durch Baurat Wilhelm Strieder und später vor allem Karl Beichel errichtet, orientieren sich mit ihrem Pavillonstil an Vorbildern der barocken Schlossarchitektur in der Nachfolge von Schloss Marly-Le-Roi. So gliedert sich die Anlage in eine Reihe von Solitärbauten, oft aus massiven Natursteinquadern, die symmetrisch an der mittig liegenden Straßenachse gespiegelt werden und durch Außenmauern von der Stadt separiert sind.

Dieser Aufbau folgt auch funktionalistischen Überlegungen und wurde in seiner Nutzungsteilung, auf der einen Seite Vieh- und Pferdemarkt, auf der gegenüberliegenden Seite die Schlachthäuser und Fleischverarbeitungshallen, von französischen Vorbildern übernommen. Durch diese räumliche Trennung wollte man für Hygiene sorgen.

Im Laufe der Jahre kam es zwar zu Erweiterungen und baulichen Ergänzungen, die historische Struktur

des Schlachthofs blieb allerdings weitgehend erhalten und wurde noch bis ins neue Jahrtausend teilweise

in ihrer genuinen Funktion genutzt. Als 2006 dann der Betrieb endgültig eingestellt wurde und die Stadt sich für den Titel der Kulturhauptstadt Europas 2010 bewarb, nahm man dieses Areal genauer in den Blick und entwickelte als Fächer GmbH in Zusammenarbeit mit den Büros ASTOC Architects and Planners und Feigenbutz Architekten eine tragfähige Strategie der Umnutzung. Die Idee eines „Kreativparks“ war geboren.

Für zwei der Bestandsgebäude, Schweinestall und Pferdeschlachthaus, waren zwo/elf Architekten verantwortlich. Unter Leitung von Matthias Tebbert wurden diese Gebäude 2011 und 2019 umgestaltet.

Dies war auch dringend nötig, da der Bestand war sichtlich in die Jahre gekommen war, energetisch ertüchtigt- und modernen Arbeitsnormen angepasst werden musste, ohne dabei den Denkmalschutz, den dieses Ensemble genießt, außer Acht zu lassen.

Dass dies beispielhaft gelungen ist und sich darüber hinaus gelohnt hat, zeigen gleich zwei verliehene Hugo-Häring-Auszeichnungen, die das Karlsruher Büro erhalten hat. Vor allem der ehemalige Schweinestall ist interessant, haben die Architekten hier doch auch für ihr Büro selbst Platz geschaffen.

Auf den ersten Blick ist dem Gebäude seine Transformation gar nicht gleich anzumerken. Der langgezogene Buntsandsteinbau mit ziegelgedecktem Satteldach und hölzernen Toren strahlt ganz den Charme seiner Zeit aus. Nur an den Fensteröffnungen erkennt man die Neuerung.

Die niedrigen historischen Oberlichter wurden ergänzt durch beinahe bodentiefe Fenster, die für bessere Belichtung sorgen und über einen beherzten Sprung innen und außen fast fließend verbinden. 

Über einen historischen Vorraum, der Wiegehalle, erschließen sich im Inneren zwei offen organisierte Büros, von denen eines von zwo/elf Architekten als Mieter genutzt wird. Ganz dem White-Cube-Prinzip folgend (nicht von ungefähr planen zwo/elf auch Ausstellungen) ist der Innenraum ganz in puristischem Weiß gehalten. Nur der dunkle Boden setzt sich davon ab, gibt dem Gebäude eine Verortung und schlägt die Brücke zu den Asphaltflächen draußen. Eine Reihe von Boxen ist in den hohen Raum gestellt, gliedert ihn und ist Funktionen zugeordnet. In einer Box befindet sich das Materiallager, in der anderen der Besprechungsraum und die Teeküche. In den Zwischenbereichen stehen mächtige Tische, an denen gemeinschaftlich gearbeitet wird.

Es sind diese Gegensätze, die dieses Projekt so spannend und aufregend machen; offen – geschlossen, oder auch fein – grob, wenn man das Tragwerk des Raumes ansieht; die grazilen historischen Säulen aus Gusseisen mit ihren ionischen Kapitellen stehen kontrastreich gegen die Schwere der dicken Außenmauern und der offen gelassenen Betondecke. Durch den weißen Farbauftrag auf allen Oberflächen wiederum wird alles in einen Gesamtzusammenhang gesetzt und Alt und Neu gehen eine Symbiose ein.

Viele dieser Entwurfsentscheidungen wurden allerdings auch hart errungen. Sowohl die Stadt als Auftraggeberin als auch die Denkmalbehörde als Beraterin und Kontrolleurin hatten zahlreiche Einwände, die sich teils diametral widersprachen und durch die Architekten vermittelnd gelöst werden mussten.

Der Denkmalschutz tat sich beispielsweise schwer mit der Umgestaltung des Innenraums, dem auch die alte Farbigkeit mancher Bauteile zum Opfer fiel. Diese aber, so der Architekt, konnte historisch gar nicht so einfach argumentiert werden. Darüber hinaus war eine innere Umgestaltung ohnehin angezeigt wegen historischen Verunreinigungen durch Schweineurin und anderen Altlasten.

Zwo/elf achtete dann durch sein „Raum-in-Raum-Prinzip“ der reversiblen Boxen im Innenraum auf einen sonst mustergültigen Umgang mit dem Denkmal. Mit der Stadt wiederum gab es Probleme mit der Dämmung des Gebäudes. Zuerst sei gar keine Dämmung angedacht gewesen, so Tebbert. Nach langen Diskussionen war dann ein Dämmputz die Lösung, der mit dem sowieso nötigen Putz auf die Fassade aufgebracht werden konnte. Auch hier wurde auf einen möglichst geringen Eingriff in die bauliche Substanz geachtet.

Zwo/elf Architekten haben durch diesen anspruchsvollen Entwurf und seine Ausführung mit klimatischer und denkmalpflegerischer Nachhaltigkeit eine wertvollen Beitrag geleistet, das Bauen im Bestand als ernsthafte Alternative zu Tabula-Rasa-Planungen zu (re-)etablieren. Das verdient Respekt und Anerkennung und schafft hoffentlich auch Nachahmer in aktuellen Bauvorhaben.