Interview mit Andreas Grube – Vorsitzender der Karlsruher Architekt*innenkammer

Andreas Grube im InterviewUlrich Coenen

Im Seminar „Städtebauliche Typologien – Werkstatt Architektur-Journalismus: Wir schreiben über Architektur“ beschäftigen sich Studierende an der Professur Stadtquartiersplanung mit Architekturjournalismus. Dozent ist der Redakteur und Bauhistoriker Ulrich Coenen.

Die zwölf Seminarteilnehmer:innen recherchieren unter Anleitung und verfassen Beiträge über Architektur, Stadtplanung und Denkmalpflege. Dabei werden die journalistischen Darstellungsformen Interview, Architekturkritik, Bericht, Reportage, Kommentar und Fachbuchbesprechung geübt. Das Seminar wird nach 2023 zum zweiten Mal an der Professur Stadtquartiersplanung angeboten.

Ausführliche Infos zum Seminar: https://ulrichcoenen.de/SS24.htm

Erste Aufgabe in diesem Semester war ein Interview mit Andreas Grube, Bezirksvorsitzender der Architektenkammer Karlsruhe/Nordbaden. Grube ist Partner im Büro GJL+ Architekten.

Die Studierenden haben die Fragen an Andreas Grube in einer Sitzung vorbereitet und in der nächsten Sitzung gemeinsam das Interview mit ihm geführt. Anschließend hat jeder ein Interview geschrieben.

Wie im deutschen Journalismus üblich wurde das hier veröffentlichte Interview von Carolin Stolz vor der Veröffentlichung von Andreas Grube autorisiert. Mit dieser Vorgehensweise orientiert sich das Seminar an professionellen Standards.

 

„Da sehe ich eine Riesenchance“ 

Der Karlsruher Architektenkammer-Vorsitzende Andreas Grube äußert sich zur Zukunft des Einzelhandels

Wie steht es um die Zukunft der Karlsruher Innenstadt und was sind aktuelle Herausforderungen, mit denen nicht nur Karlsruhe zu kämpfen hat? Im Interview deckt Andreas Grube, Bezirksvorsitzender der Architektenkammer Karlsruhe/Nordbaden, Schwächen und Chancen der heutigen Innenstädte auf.

Mit welchem Gefühl gehen Sie, vor dem Hintergrund des Umbaus der Straßenbahn, durch die Kaiserstraße in Karlsruhe?

Grube: Momentan ist das ein unbefriedigendes und beklemmendes Gefühl. Der Leerstand ist extrem und der Umbau ist noch nicht abschließend vollzogen. Gerade werden die Schienen herausgenommen, das ist alles nicht ganz einfach.

Was sind die Ursachen dafür?

Grube: Das ist vielen Entwicklungen geschuldet. Die U-Strab ist fast zehn Jahre zu spät fertig geworden. E-Commerce ist ein Riesenthema. Es gibt wenig eigentümergeführte Geschäfte, stattdessen viele Brands, die einfach nur Ladenfläche mieten. Das sind alles Punkte, die sind nicht befriedigend.

Die Kaiserstraße ist Karlsruhes Haupteinkaufsstraße. Einige Gebäude sind ab dem ersten Obergeschoss sechs Meter nach hinten gerückt. Sehen Sie darin Potentiale?

Grube: Durchaus. Es gilt herauszufinden, was typisch für unsere Stadt ist. Neben dem Fächergrundriss ist das eines dieser Dinge. Mit der Frage, wie die Kaiserstraße auszusehen hat und wie man sie gestalten kann, haben wir uns auch beschäftigt. In München gab es mal ein Projekt mit hängenden Gärten. Wenn man solche Sachen platzieren kann, ist das gut und wichtig. Ein anderer Ansatz wäre die Arkadenbildung, wodurch der Straßenraum enger wird.

Was halten Sie von Arkaden?

Grube: Das fände ich nicht so gut. Die Großzügigkeit ist wichtig. Der sich nach oben hin öffnende Raum ist gut zu bespielen.

Gibt es Städte die als Musterbeispiele dienen können, bei denen man sich in Bezug auf die Umgestaltung der Kaiserstraße vielleicht etwas abschauen kann?

Grube: Ich kenne keine Stadt, in der alles wunderbar ist. Alle Städte haben zu kämpfen und haben Schwierigkeiten, gerade mit den großen Strukturen. In Kleinstädten und Mittelstädten gibt es noch eine Eigentümerstruktur. Das ist gut so. Da sieht man ein Engagement für den öffentlichen Raum. Die Räume werden bespielt. In der Großstadt Karlsruhe erlebt man das ganz im Kleinen. Das Fest in der südlichen Waldstraße ist ein Beispiel. Das ist initiiert durch die Eigentümer und die dort ansässigen Händler. Aber solche Dinge müssten eigentlich in der Verantwortung aller liegen. Die südliche Waldstraße ist nur ein kleiner Straßenzug, das ist nicht viel für die ganze Stadt.

Wie attraktiv ist das Konzept „Ettlinger Tor“, also Shopping-Center im Vergleich zur Einkaufsstraße?

Grube: Ich glaube, dass die Zeit der Shopping Galerien vorbei ist. Die großen Ladenflächen müssen wieder auf kleinere Einheiten runtergebrochen werden. Eigeninitiative ist zwingend gefordert. Es sollten wieder mehr, ich nenne das jetzt bewusst „kleine Kieze“, entstehen, in denen sich Leute bewusst engagieren. Dadurch können kleine Cafés oder eine Schneiderei oder andere Dinge entstehen. Ich glaube, darin steckt ein Riesenpotential.

Fördert die aktuelle Politik der Stadt Karlsruhe die Entwicklung kleiner Kieze und kleiner Läden?  

Grube: Das hängt vom planerischen Willen auf der einen Seite und natürlich von den Eigentümern auf der anderen Seite ab. Die Eigentümer tragen meiner Meinung nach ein Riesenmaß an Verantwortung. Es ist nicht zwingend, eine Ladenfläche an den Höchstbietenden Mieter zu geben. Eigentümer müssen sich ihrer Verantwortung der Stadt gegenüber bewusst sein, vor allem wenn sich Ladenlokale in exponierten Lagen befinden. Nehmen wir den Schöpf oder früher Hammer & Helbig, das waren Eigentümer, die haben sich mit ihrer Stadt identifiziert und sie haben natürlich auch ihren Beitrag geleistet. Das ist leider Gottes nicht mehr so ausgeprägt, dass muss man einfach sagen.

Und nun?

Grube: Mittlerweile gibt es gute Tendenzen. Die Stadt versucht an Immobilien zu erwerben, um die Entwicklung zu steuern. Da sehe ich eine Riesenchance. Der Prozess ist aber auch nicht von heute auf Morgen beendet, sodass man schlichtweg und ergreifend daran weiterarbeiten muss. Aber der Ansatz ist richtig.

Haben Sie eine Idee, wie man die großen Kaufhausimmobilien umnutzen kann?

Grube: Wenn man im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss noch Handel vorsieht, muss eine alternative Nutzung für die aufgehenden Geschosse gesucht werden. Das kann möglicherweise Wohnen sein, das können Offices sein, das kann Service sein, von medizinischer Versorgung bis hin zu Dienstleistungen jeglicher Art.

Wie kann das aussehen?

Grube: Wir entwickeln mit unserem Büro GJL+ gerade ein Konzept für zwei Immobilen der Galeria-Dynastie. Die schneiden wir im Inneren komplett auf, damit wir Licht in die Gebäude bekommen. Es handelt sich in beiden Fällen um Studien, wie man solche Gebäude in Zukunft verwerten werden kann, damit sie nicht gleich abgerissen werden müssen.

Wie könnte heute eine funktionierende Innenstadt aussehen? Gerade vor dem Hintergrund, dass die ganz großen Immobilien nicht mehr als reiner Einzelhandel funktionieren?

Grube: Es muss meiner Meinung nach ganz zwingend der Mix sein. Wir brauchen eine Kombination, wie sie früher in den Innenstädten üblich war. Das Wohnen in der Innenstadt muss wieder attraktiv werden. Das ist wichtig. Dafür muss ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden, die Baunutzungsverordnung sollte angepasst werden. An dieses Thema muss man aus meiner Sicht ran. Diese Entwicklung gilt es zu pushen.

Das Gespräch führte Carolin Stolz

Andreas Grube in der Gruppe