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Andreas GrubeUlrich Coenen

Im Seminar „Städtebauliche Typologien – Werkstatt Architektur-Journalismus: Wir schreiben über Architektur“ beschäftigen sich Studierende an der Professur Stadtquartiersplanung mit Architekturjournalismus. Dozent ist der Redakteur und Bauhistoriker Ulrich Coenen.

Die zwölf Seminarteilnehmer:innen recherchieren unter Anleitung und verfassen Beiträge über Architektur, Stadtplanung und Denkmalpflege. Dabei werden die journalistischen Darstellungsformen Interview, Architekturkritik, Bericht, Reportage, Kommentar und Fachbuchbesprechung geübt. 

Ausführliche Infos zum Dozenten und zum Seminar (unter Lehre): www.ulrichcoenen.de

Eine Aufgabe in diesem Semester war ein Interview mit Andreas Grube, Bezirksvorsitzender der Architektenkammer Karlsruhe/Nordbaden. Grube ist Partner im Büro GJL+ Architekten.

Die Studierenden haben die Fragen an Andreas Grube in einer Sitzung vorbereitet und in der nächsten Sitzung gemeinsam das Interview mit ihm geführt. Anschließend hat jeder ein Interview geschrieben. Hier ist das Interview von Johann Kuhn zu den Aufgaben der Kammer. 

 

 

 

Man hat es mit Effizienz begründet

 

Der Kammerbezirksvorsitzende Andreas Grube aus Karlsruhe im Gespräch über das Auf und Ader Kammerarbeit

 

von Johann Kuhn 

 

 

Weshalb sind Sie Mitglied der Architektenkammer geworden? 

 

Grube: Um die Bauvorlageberechtigung zu erhalten, muss man Mitglied der Kammer werden. Irgendwann wird es jeder. Auch ich. Im Jahr 2001 habe ich mit meinem Architekturbüro GJL+ einen Wettbewerb der Architektenkammer Baden-Württemberg gewonnen und einen temporären Veranstaltungspavillon auf dem Karlsruher Schlossplatz errichten dürfen. Da waren wir noch jung und die Verantwortlichen bei der Kammer meinten,es müsse junges Blut in die Kammer. 

 

Wie ging es weiter?

 

Grube: Im Folgejahr war ich Beisitzer und 2006 wurde ich mit 38 Jahren Vorsitzender derKammergruppen. Ab diesem Zeitpunkt merkte ich, wenn man sich nicht einmischt, dann wird man von den Dingen überrollt. Sich einzubringen und eine Position in der Kammer zu bekleiden, brachte mich einen Schritt weiter, eine Haltung zu entwickeln. Man darf sich jedoch keiner Illusion hingeben, dass alles von heute auf morgen passieren wird. Es sind zum Teil langwierige Prozesse, die erst initiiert werden müssen. Es sind die kleinen Erfolge.

 

 

Jetzt wo Sie Entscheidungsträger sind, haben Sie das Gefühl, die Branche aktiv zu beeinflussen? 

 

Grube: Als ich damals für die Wahlen 2006 kandidiert habe, war der Kammerbezirk in der Hirschstraße, fünfter Stock über einem Friseursalon, vertreten. Keiner wusste, wo wir zu finden waren und es hieß im übertragenen Sinne „Irgendwann gibt es mal ein Klingelschild“.

Ich sagte: „Das geht so nicht. Wir müssen etwas initiieren, wir müssen etwas schaffen!“.

 

Was haben Sie unternommen?

 

Grube: Wir sind dann mit der Idee angetreten, öffentlicher zu werden und auch öffentlicher wahrgenommen zu werden. In diesem Zuge ist das Architekturschaufenster gegründet worden. Durch die Unterstützung der Landeskammer und öffentliche Mittel bekamen wir die Räume in der Waldstraße, wo heute im vorderen Bereich die Ausstellungs- und Seminarflächen sind und im hinteren Bereich die Bezirksgeschäftsstelle zu finden ist. 

 

War das für Sie ein entscheidender Schritt?

 

Grube: Ich sage es offen. Hätten wir das damals nicht bekommen und hätten wir es nicht geschafft zu überzeugen, wäre ich nach vier Jahren Amtszeit raus gewesen. Das Architekturschaufenster gibt es nach wie vor. Es ist gut bespielt, wird wahrgenommen und hat Relevanz für die interessierte Stadtgesellschaft.

 

 

Nennen Sie ein weiteres Beispiel für Ihre erfolgreiche Arbeit. 

 

Grube: Als Architekten haben wir das Problem, dass wir als Drittschuldner haftbar gemacht werden können. Wenn beispielsweise ein am Bau Beteiligter in Insolvenz geht, kann sich der Geschädigte an unserem Berufstand schadlos halten. 2008 haben wir einen Antrag gestellt,dass dieses System der drittschuldnerischen Haftung nicht gerecht ist und aufgebrochen werden muss. Nach zehn bis zwölf Jahren Bearbeitung wurde das neue Bauvertragsrecht vorgestellt, welches nun einen neuen Passus enthält. Dezeigt Möglichkeiten auf, wie unter vertragskonformen Bedingungen dies zumindest ein Stück weit abgefedert werden kann. 

 

 

Sie sind sachkundiger Bürger im Planungsausschuss der Stadt Karlsruhe. Wie bringen Sie sich dort ein?

 

Grube: Urspünglich waren wir bei jeder Planungsausschuss-Sitzung dabei, doch mit dem Amtsantritt des neuen Baubürgermeisters wurde unser permanenter Sitz gestrichen. Das finde ich sehr schade. Nun werden wir nur noch zu speziellen Fragen eingeladen, aber nicht mehr zu Themen wie dem Ausbau der Fahrradwege oder Straßen. 

 

Wie läuft das ab?

 

Grube: Vor einem Planungsausschuss bekommen wir im Vorfeld die Sitzungsunterlagen und können diese im kleinen Kreis, in der Regel dem des Kammervorstands, besprechen und haben die Gelegenheit, über das Wochenende Stellungnahmen zu verfassen. Wir haben gemerkt, dass es bei Abstimmungen sehr hilfreich war und die Entscheidungen über die Haltung mitgetragen wurde. Das war gut.

 

 

Wieso lädt die Stadt sie nicht mehr zu allen Sitzungen des Planungsausschusses ein?

 

Grube: Man hat es mit Effizienzgründen begründet.

 

 

Die Sachkunde behindert die Effizienz? 

 

Grube: Möglicherweise. Ja. Leider! Es war früher Usus. Der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) hatte einen Sitz, wir als Kammer hatten einen Sitz und jetzt kommen wir nur noch sporadisch dazu. Das ist die große Politik! 

 

 

Wo sehen sie ihre Rolle als Vorsitzender des Kammerbezirks und was sind Ihre Ziele?

 

Grube: Der Bezirk umfasst neun Kammergruppen, von Heidelberg und Mannheim bis hoch nach Freudenstadt und Calw. Das ist ein großes Gebiet, analog zum Regierungsbezirk.

In der Kammerarbeit haben wir Schwerpunkte, die sich im Wesentlichen auf aktuelle Themen beziehen. So haben wir wegen der Wohnungsnot eine Taskforce gegründet und die Landesregierung beraten.

 

Was bewegt Sie aktuell?

 

Grube: Ein aktuelles Thema ist die Novellierung der Landesbauordnung (LBO), zu der wir eine Stellungnahme abgeben. Wir wollen nicht nur die Sicht der Kammer einfließen lassen, sondern es ist uns vor allem ein Anliegen, dass wir die Sicht der Architekten in diese LBO mit einbringen können.

 

Wie läuft es?

 

Grube: Wir verzweifeln förmlich. Das sage ich ganz offen. Vom Bauministerium werden Umbaupreise ausgelobt zum Beispiel zu Transformationen von Gebäuden, zur Erhaltung von Bausubstanz et cetera. Doch zu diesen Themen findet man bisher in der LBO nicht einen Satz. Wir haben viele Impulse und Texte gegeben, um eine so genannte Umbauordnung zu verankern. Diese Bemühungen negiert man jedoch.

 

 

Wie sollte eine Novellierung der LBO nach Ihrer Meinung aussehen? 

 

Grube: Die LBO soll einfacher und pragmatischer werden und sich an den heuteigen Themen orientieren. Aus unserer Sicht kann man nicht nur auf den klassischen Neubau eingehen, sondern muss Antworten schaffen. Die Frage wie wir mit dem Gebäudebestand umgehen sollen, fehlt zum Beispiel komplett. Das ist ein Punkt, an dem wir massiv arbeiten. Ob das fruchtet? Wir wissen es nicht. Zum letzten Sommerempfang war die Bauministerin da und hat große Reden gehalten. Wir hatten angeregt solche Themen einzubringen, doch so etwas verschwindet in irgendeiner Schublade. Das ist wirklich frustrierend.